Parkdruck?
Radinfrastruktur versus Parkplätze
Sobald durch Schaffung oder Verbesserung der Radinfrastruktur Parkplätze entfallen, oder schon bei der Blockade von Radinfrastruktur durch parkende Lieferfahrzeuge oder Autos, gibt es sofort hoch emotionale Beiträge – die Möglichkeit, überall sein Auto abstellen zu können, wird als unveräußerliches Grundrecht verstanden.
Jeder fordert seinen Parkplatz vor der Haustür:
- der Taxifahrer für die gehbehinderte alte Dame
- die Pflegedienste, damit sie in der knapp bemessenen Zeit nicht auch noch Parkplatz suchen müssen
- die Handwerker für ihre Werkstatt und das Ersatzteillager im Lieferwagen
- die Lieferdienste, um die Pakete nicht so weit tragen zu müssen
- die Geschäfte für ihre Lieferanten
- die Anwohner, um das Auto für die Ski- oder Sommerferien oder bei Umzügen problemlos packen zu können, und natürlich morgens und abends von und zur Arbeit nicht weit laufen zu müssen
- usw.
Der Parkplatz soll aber die ganze Zeit nur für ihn oder sie freigehalten werden.
Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen definiert Parkdruck anhand der Auslastung der Parkraumangebots (Auslastung = Belegung/Kapazität), wobei die Skala von <60 % („kein Parkdruck“) bis >90 % („sehr hoher Parkdruck“) reicht. Eigentlich müsste man von Autodruck sprechen, denn die öffentliche Fläche (Kapazität) gerade in Städten ist beschränkt und nicht vermehrbar – aber es konkurrieren immer mehr Autos um den begrenzten öffentlichen Raum.
Entlastung lässt sich erreichen, indem man Parkplätze unter der Erde (Tiefgarage) oder auf Privatgrund anlegt. Letzteres ist durch die Stellplatzverordnung geregelt – vereinfacht gesagt muss für jede Wohnung mindestens ein Stellplatz nachgewiesen werden. Ob dieser Stellplatz aber tatsächlich als Stellplatz genutzt wird oder nicht (viele Garagen werden z.B. als zusätzlicher Lagerraum missbraucht), entzieht sich dem Wissen der Verwaltung. Wörtlich heißt es in einer Antwort des Mobilitätsreferats: Die hier angefragten Daten zum Angebot liegen nicht vor. Zur Ermittlung der Datengrundlage müsste die zuständige Lokalbaukommission (LBK) sämtliche Bauakten prüfen und auswerten, was jedoch aus Kapazitätsgründen nicht möglich ist. Entsprechende Datensätze zur Nutzung liegen der Landeshauptstadt München nicht vor.
Eine Stichprobe der Wiesbadener Hochschule Rhein-Main in drei Kommunen des Ballungsraums ergab, dass 30 Prozent der Stellplätze mangels Bedarf leer bleiben, während im gleichen Stadtteil für 20 Prozent der Autos kein Stellplatz vorhanden ist und sie deswegen auf der Straße parken (Quelle: FAZ).
Auch die Daten zu den öffentlichen Tiefgaragen auf der Open Data Website der Stadt München sind unvollständig. Einen besseren Überblick mit sehr viel weiterführenden Informationen – insbesondere zur Auslastung – bekommt man auf der Website https://autokorrekturmuc.de, und hier weiter detailliert. Für die folgenden Auswertungen und Karten werden weitere öffentlich zugängliche Tiefgaragen in München erfasst und wöchentlich aktualisiert.
Eingangswerte sind die verfügbaren Parkplätze aus den Parklizenzgebieten, und die Einwohnerzahlen pro Baublock. Ein Baublock ist eine Fläche, die in der Regel von Straßen bzw. natürlichen oder baulichen Grenzen (Wasserläufe, Bahnlinien, usw.) von allen Seiten umschlossen wird (Deutscher Städtetag, 19791). Es wurden alle verfügbaren öffentlichen Kfz-Parkplätze in den Parklizenzgebieten rund um einen Baublock gezählt. Nicht einbezogen sind:
- Taxistände
- Busparkplätze
- Behindertenparkplätze
- Ladeplätze für E-Autos
- Parkplätze für Carsharing.
Die beiden letzten (Ladeplätze für E-Autos, und Parkplätze für Carsharing) knabbern natürlich am Angebot an allgemein verfügbaren Parkplätzen!
Nicht jeder Anwohner besitzt ein Auto. Überschlägig kann man in München davon ausgehen, dass nur jeder zweite Anwohner ein Auto besitzt. So kommen wir auf die Anzahl der Autobesitzer pro Parkplatz. Auch hier wird beim Darüberfahren mit der Maus über einen Baublock jetzt die Anzahl Autobesitzer pro öffentlichem Parkplatz für diesen Baublock angezeigt.
Aber – nach der Stellplatzverordnung (s.o) muss es überschlägig pro Wohnung einen Stellplatz geben. Auch jetzt vereinfachen wir, und nehmen an, dass in jeder Wohnung zwei Anwohner wohnen, und es für jede Wohnung einen Stellplatz gibt. Wie oben erwähnt, gibt es bei der Stadtverwaltung keine Übersicht, wie viele Stellplätze es in einem Baublock gibt. Berücksichtigt man die überschlägig ermittelten Stellplätze auf Privatgrund, ergeben sich weniger Autobesitzer ohne eigenen Stellplatz, die einen öffentlichem Parkplatz beanspruchen:
In dieser Übersicht werden nur die Parkplätze für Anwohner behandelt. Parkplätze für Einpendler müssen nach der Stellplatzverordnung von den Arbeitgebern zur Verfügung gestellt werden (auch darüber hat die Stadtverwaltung keinen Überblick). Ansonsten gibt es große Park & Ride Anlagen innerhalb und außerhalb der Stadtgrenze.
Für Anwohner und Besucher gibt es zusätzlich öffentliche Tiefgaragen. Aus Gründen der Bequemlichkeit sollte eine Tiefgarage in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar sein. Deshalb wurde um jede Tiefgarage ein Kreis mit dem Durchmesser von 500 m geschlagen, der die fußläufige Abdeckung der Tiefgaragen zeigt.
Berücksichtigt man auch für die Baublöcke die fußläufig erreichbaren Tiefgaragen, reduziert sich wieder die Anzahl der Autobesitzer, die einen Parkplatz auf öffentlichem Grund beanspruchen. Hier wird angenommen, dass jeder zweite Autobesitzer ohne Stellplatz, der in der Nähe einer Tiefgarage wohnt, die Tiefgarage nutzt. Baublöcke in 500 m Entfernung von einer öffentlichen Tiefgarage werden schraffiert dargestellt. Für die anderen Baublöcke ergeben sich keine Änderungen. Es ergeben sich die folgenden Zahlen:
Klickt man auf eine öffentliche Tiefgarage, bekommt man auch die Preise angezeigt. Hier zeigt sich natürlich eine Diskrepanz: für die Erlaubnis, sein Auto in einem Parklizenzgebiet auf öffentlichem Grund abzustellen, zahlt man in München 30 € pro Jahr. Das ist die durchschnittliche Gebühr für einen Tag in einer Tiefgarage. Im Monat zahlt man ab 80 € aufwärts, bis zu 300 € in einer Tiefgarage. Mietet man einen privaten Stellplatz vom Nachbarn, ist man schnell 100 € pro Monat los. Das sind die Marktpreise. Die Stadt subventioniert, da sie keinen Marktpreis nimmt, einen Parkplatz auf öffentlichem Grund mit mehr als 1.000 € pro Jahr. Das macht mit aktuell 103.000 Parkplätzen in den 80 Parklizenzgebieten in München eine Subvention vom mehr als 100 Mio € pro Jahr für die Autobesitzer, also weniger als der Hälfte der Einwohner. Diese Zahl wird nie in Stadtratsdiskussionen genannt. Davon könnte man locker 30 – 50 km Radwege pro Jahr bauen!
- Deutscher Städtetag (1979). Kleinräumige Gliederung: Räumliches Ordnungssystem Zensus 1981. DST-Beiträge zur Statistik und Stadtforschung. Reihe H, Heft 15. ↩︎