Schulwegsicherheit rund um weiterführende Schulen

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Bildquelle: Berliner Zeitung

Schulen, d.h. Realschulen, Berufsschulen und Gymnasien werden von den Schüler*innen oft mit dem Fahrrad angefahren.

Das ist für uns der Grund, sich einmal die Gefahrensituation rund um die Schulen in München anzuschauen. Dazu mussten zunächst aufwändig die Informationen zu den bestehenden Schulen zusammengetragen werden: aus OpenStreetMap, aus Wikipedia, aus dem Ratsinformationssystem der Stadt München und vom bayerischen Kultusministerium. Aktuell sind es 409 weiterführende Schulen. Viele Schulen teilen sich einen Schulstandort und wurden zusammengefasst. Dies wurde durch Adressvergleich, aber auch Anschauen der Schulstandorte auf der Karte erreicht. Betrachtet werden nur die Schulstandorte mit mindestens 100 Schülern – es bleiben dann 212 Schulstandorte oder -Cluster innerhalb der Stadtgrenze Münchens.

Aber wie bewertet man die Gefahren, die einem mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Schule drohen? Einen ersten Überblick gibt die Website des Mobilitätsreferats: Unfallgeschehen im Radverkehr. Traditionell müssen erst ein oder mehrere Unfälle geschehen (‚Blut fließen‚), bevor eine Strecke zur Schule in den Fokus von Polizei oder Verwaltung gerät. Die Standardaussage der Polizei oder der Verwaltung ist: eine Straße sei „unauffällig“ oder: „es lägen keine Beschwerden vor“. Es sei dahingestellt, ob eine beschwerde-getriebene Verkehrsplanung der richtige Ansatz ist.

Hinzu kommt, dass der weitaus größere Teil an Radunfällen nicht der Polizei gemeldet, und daher nicht von der Polizei erfasst werden. Stürze durch ein Schlagloch, oder weil ein Ast über dem Weg liegt, werden im Regelfall nicht erfasst.

Deshalb verknüpfen wir im Folgenden den traditionellen, rückwärtsgewandten, auf geschehene Unfälle fokussierten Ansatz mit einem Risikoansatz: je mehr sehr stressige und stressige Radverbindungen es im Umfeld einer Schule gibt, desto mehr Gefahren drohen den Radfahrenden. Zur Berechnung nutzen wir die Datenbasis von MunichWays. MunichWays hat in jahrelanger Arbeit alle Radwege in München erfasst und nach ihrer Qualität und Sicherheit bewertet.

Daher haben wir einen Radius von 500 Metern um jeden Standort oder Schule gezogen und die folgenden Faktoren analysiert:

  • Wie viele Fahrradunfälle gab es in diesem Bereich in den letzten Jahren? Gab es dabei auch schwere Verletzungen oder gar Todesfälle von Radfahrenden? Aus einer separaten Statistik beziehen wir auch die Schulwegunfälle ein.
  • Wie bewerten wir die Qualität und Sicherheit der Radinfrastruktur in diesem Bereich? Diese Einschätzung basiert auf der Kategorisierung der Radwege, die von MunichWays durchgeführt wurde und die Radwege in diesem Umkreis als entweder stressig oder sehr stressig bewertet.

Daraus wird ein Gefahrenindex berechnet: mit etwa gleichem Gewicht die Zahl der gewichteten Radunfälle und die Länge der stressigen oder sehr stressigen Strecken nach MunichWays. Es stehen die Zahl der Radunfälle aus den Jahren 2016 – 2022 vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung. Daraus geht aber nicht hervor, ob es sich um einen Schulwegunfall handelt. Wir haben allerdings vom Mobilitätsreferat eine Liste der Rad-Schulwegunfälle bekommen, die sich zum großen Teil mit den Daten des Statistischen Bundesamtes decken. Unfälle in der Nacht sind keine Schulwegunfälle. Daher werden nur die Unfälle zwischen 7:00 und 16:59 Uhr gezählt. Dabei werden tödliche Unfälle zehnfach und Unfälle mit schweren Verletzungen fünffach gewichtet, um ihre Bedeutung zu erhöhen. Schulwegunfälle werden dreifach gewichtet. Daraus ergibt sich die gewichtete Zahl der Unfälle.

Die Länge der stressigen oder sehr stressigen Strecken nach MunichWays wird jeweils durch 16 geteilt, die sehr stressigen Strecken doppelt gegenüber den stressigen Strecken gewichtet. Dadurch erhalten die Unfallzahlen und die Qualität der Radinfrastruktur ungefähr das gleiche Gewicht im Gefahrenindex.

Im folgenden Kartenlayer werden alle Schulstandorte oder Schulcluster gezeigt. Die Schulen mit dem höchsten errechneten Gefahrenindex werden rot dargestellt. Der Schulstandort mit dem höchsten Gefahrenindex erhält den Rang 1, zusätzlich wird der Gefahrenindex in Klammern gezeigt. Zur Veranschaulichung kann der 500 m Umkreis um die Schulstandorte mit Rang 1 – 10 eingeblendet werden. Bei Bedarf können die Unfallorte angezeigt werden. Beim Darüberfahren mit der Maus über eine Schule werden die Detailinformationen angezeigt. Zur Einordnung wird die Zahl der Schüler*innen der Schule im Schuljahr 2022/23 und die Radverkehrsdichte nach der Radverkehrsmodellierung 2019 im Umfeld der Schule angezeigt. Die Radverkehrsdichte ist die Summe aller Radbewegungen an einem Tag in den Straßensegmenten im Umkreis von 500 m der Schule.

Die Daten der 10 Schulen, die bei der Schulwegsicherheit am schlechtesten abschneiden, gibt es auch als Tabelle. In dieser ist jeweils ein Link zu der einzelnen Schule mit dem jeweiligen Umkreis von 500 m.

Die Tabelle aller Schulen, mit den für die Berechnung des Gefahrenindex notwendigen Daten, kann hier heruntergeladen werden (.csv .xlsx).

Was kann man mit diesen Informationen anfangen?

  1. Es sind sehr viele Verbesserungen der Radinfrastruktur in München nötig. Bisher haben wir vom Radentscheid München nicht den Eindruck, dass im Mobilitätsreferat eine Strategie zur Priorisierung der Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Radfahrenden verfolgt wird. Es scheint auch keine „Körbe“ von kleinen, mittleren und großen Maßnahmen zu geben, die jeweils priorisiert wären. Wir zeigen ein mögliches Verfahren zur Priorisierung. Dies kann die öffentliche Akzeptanz von Maßnahmen der Verwaltung unterstützen. Die Gewichtung der einzelnen Parameter kann geändert, oder weitere hinzugefügt werden. Aber selbst mit anderen Gewichtungen, anderen Radien oder zusätzlichen Parametern wie Radfahrdichte oder Anzahl Schüler*innen kamen wir auf ähnliche Ergebnisse. Die meisten der gefährdeten Schulen liegen im Stadtbezirk Altstadt/Lehel nahe beieinander. Die Unfallstrecken, sehr stressigen und stressige Strecken sind deutlich erkennbar – mögliche Verbesserungen sind offensichtlich und leicht begründbar.
  2. Im Detail kann man auf Basis des Kartenausschnitts rund um die Schule mit den Schülern, Eltern(-beiräten) und Lehrern/Schulleitung feststellen, woher die Schüler*innen kommen – d.h. welche Radrouten sie nutzen. Dabei sammelt man zusätzliche Informationen über kritische Stellen der Radinfrastruktur aus den Erfahrungen der Beteiligten.
  3. Zusätzlich wertet man die bereits vorliegenden Informationen aus: Unfallorte, und die Bewertung der Strecken im Umkreis durch MunichWays (Layer: Nahe an Schulen etc + RVN schwarz/rot). Durch einen Linksklick auf eine von MunichWays bewertete Strecke erhält man umfangreiche Information über diese Strecke; auch kann man über einen Link direkt die Strecke aus Radperspektive mit Mapillary abfahren. Mit einem Rechtsklick auf diese Strecke erhält man Dokumente aus dem Ratsinformationssystem zu dieser Straße mit Bezug zum Radverkehr, also beispielsweise Anträge aus den Bezirksausschüssen.
  4. Es gibt weitere Informationen: die Meldungen aus der Meldeplattform des Mobilitätsreferats (Original) häufen sich an den Risikostellen, und in vielen Straßen werden Radfahrenden zu eng überholt.
  5. Dann prüft man, ob im Umkreis bereits Maßnahmen vom Mobilitätsreferat geplant sind.
  6. Dann überlegt man weitere Maßnahmen, um die Sicherheit der Radfahrenden im Umfeld der Schule zu verbessern. Dabei kann der ADFC unterstützen. Diese schlägt man beispielsweise in der Meldeplattform, dem Bezirksausschuss oder direkt dem Mobilitätsreferat vor.

Hinweis: Tempo 30 im Umfeld weiterführender Schulen

Im Beitrag Tempo 30 im Umfeld von Schulen und Kitas wird gezeigt, im Umfeld welcher weiterführender Schulen noch nicht Tempo 30 angeordnet wurde. Wie dort gezeigt, ist diese Darstellung noch unvollständig.

siehe auch:

Fortschreibung der Münchner Schulentwicklungsplanung für die öffentlichen Realschulen und Gymnasien