Tempo 30 – und alles wird gut?
Lesedauer 2 Minuten
Zu schmale Radwege werden aufgelöst und der Radverkehr im Mischverkehr zusammen mit den Autos auf der Straße geführt – das gilt als sicher, solange Tempo 30 angeordnet ist. Besondere Radverkehrsanlagen sind bei Tempo 30 nach allgemeiner Auffassung von Experten überflüssig, oft sogar gefährlich[1]. Nach der Straßenverkehrsordnung ist jegliche Radinfrastruktur in Tempo 30 Straßen ausdrücklich verboten (StVO §45 Abs. 1c).
Nun wollen wir uns die Situation in Tempo 30 Straßen[2] in München ansehen:
- MunichWays hat alle Straßen in München nach ihrer Fahrradtauglichkeit untersucht. Die folgende Karte zeigt die von MunichWays als stressig oder sogar nicht akzeptabel qualifizierten Tempo 30 Straßen in München in Verbindung mit den Unfallstellen:
- Aus dem Unfallatlas des Statistischen Bundesamtes wurden alle Unfälle mit Kfz- und Radbeteiligung -also Kollisionen- auf Tempo 30 Straßen in München herausgezogen. Die reichlichen Kollisionen von Kfz und Rad an Kreuzungen von Tempo 30 Straßen mit Tempo 50 (und mehr) Straßen sind entfernt – sie wären einer besonderen Untersuchung wert. Die Unfälle mit Todesfolge und Unfälle mit Schwerverletzten sind grafisch separat dargestellt.
- Im zweiten Schritt wurde ein Sechseck-Gitter mit Maschenweite 250 m über die Stadt gelegt, und die Zahl dieser Unfälle in jedem Sechseck gezählt. Dabei zählt ein Unfall mit Todesfolge 10 mal so viel, ein Unfall mit Schwerverletztem 5 mal so viel wie ein Unfall mit ’nur‘ Leichtverletztem. Die Hotspots sind herausgehoben.
Was kann man tun?
- Die wichtigste Erkenntnis: einfach ein Tempo 30 Schild aufstellen, ist nicht ausreichend.
- Es liegt nahe, zu enge Überholvorgänge als wichtige Ursache der Unfälle auszumachen. Der Vergleich der Unfallschwerpunkte mit den bisher erfassten Abstandsmessungen mit dem OpenBikeSensor zeigt aber hier keinen deutlichen Zusammenhang: nur beispielsweise in der in der Lindenschmittstraße zwischen Plinganserstraße und Meindlstraße und auch zwischen Implerstraße und Kidlerstraße lässt sich ein Zusammenhang zeigen.
- Es bleibt, die Straßensituation genau anzuschauen, Beinaheunfälle zu identifizieren, und die geschehenen Unfälle im Detail zu analysieren. Eine Untersuchung der Beinaheunfälle läuft gerade im Mobilitätsreferat. Zur Priorisierung sollte die dargestellte Karte unterstützen. Mögliche Maßnahmen sind Änderungen im Straßenprofil wie Gehwegnasen oder Tempofilter. Wichtig ist es, den Fokus nicht nur auf den einzelnen Straßenabschnitt zu legen, sondern insgesamt das Quartier zu betrachten, und beispielsweise Einbahnstraßen und Superblocks einzuführen.
- Insbesondere bei Ausweisung höherwertiger Radrouten (IR III: Hauptrouten, IR IV: Vorrangnetz) in Tempo 30 Straßen sollten vorher die bekannten Unfallschwerpunkte entschärft werden.